Was macht eigentlich ein Requirements Engineer?

Informatiker sind Nerds, die im stillen Kämmerlein sitzen und vor sich hin programmieren – so eine gängige Vorstellung. Ob diese stimmt, wollen wir heute herausfinden. Dazu haben wir uns mit Martin getroffen, der Informatik studiert hat, als Software-Entwickler tätig war und jetzt als Requirements Engineer bei einem Ingenieurdienstleister arbeitet. Im Interview erzählt er uns, was seinen Beruf ausmacht.

Ein Requirements Engineer visualisiert einen Prozess
Ein Requirements Engineer visualisiert einen Prozess © StartupStockPhotos | Pixabay Public Domain

AUBI-plus: Was macht ein Requirements Engineer?

Im Prinzip bin ich ein Vermittler zwischen den Stakeholdern und den Entwicklern eines neuen Software-Systems. Stakeholder sind Anwender und Geldgeber, deren Interessen es zu berücksichtigen gilt, aber auch gesetzliche,  technische und gestalterische Vorgaben, die eingehalten werden müssen. Ziel ist ein Software-System, dass allen Anforderungen und Rahmenbedingungen entspricht. Dazu muss ich diese mittels Umfragen, persönlicher Gespräche, Beobachtung oder anderer Nachforschungen zunächst zusammentragen. Dabei ergeben sich dann viele verschiedene Dinge: Die einen Anwender legen Wert auf Schnelligkeit und wollen mit Shortcuts arbeiten, die anderen wünschen sich eine bunte Benutzeroberfläche. Für die einen sind bei einer Eingabemaske nur 3 Felder wichtig, für die anderen 20. Häufig kommt es zu Widersprüchen, die ich erst auflösen muss, und Lücken, die zu füllen sind.

Nach und nach entwickelt sich dann eine Idee, wie das neue Software-System aussehen könnte. Es fängt grob an und wird dann immer detaillierter. Das Ganze ist ein iterativer Prozess, d. h. es gibt immer wieder Schleifen, in denen ich ein Zwischen-Feedback von den Anwendern einhole und z. B. erste Entwürfe zeige, wie Bildschirm und Eingabemasken aussehen könnten. Am Ende entsteht dann eine Spezifikation, anhand derer die Software entwickelt wird, entweder durch die hauseigene IT-Abteilung oder von einem externen Dienstleister. Im öffentlichen Dienst und in größeren Firmen dient die Dokumentation auch für Ausschreibungsverfahren.

 

AUBI-plus: Und wie bist du Requirements Engineer geworden?

Requirements Engineer ist kein klassischer Beruf, den man studieren oder durch eine Ausbildung erlernen kann. Meist kommt man, wenn der Bedarf besteht, als Quereinsteiger in den Job - entweder über die technische Seite, oder über die fachliche. Ich selber bin über die Technik, genauer gesagt über die Informatik bzw. die Software-Entwicklung, eingestiegen. Das jeweilige Fachwissen muss ich mir dann in jedem Projekt neu aneignen - genau das macht meinen Job sehr interessant und abwechslungsreich. Auf der anderen Seite können auch Experten aus den Fachabteilungen in das Requirements Eingineering hineinkommen. Bei ihnen ist es anders herum: Sie verfügen über sehr fundierte Fachkenntnisse, müssen aber das technische Wissen erst noch aufbauen.

Um meine Fachkenntnisse im Requirements Engineering zu erweitern und noch mehr theoretisches Hintergrundwissen zu bekommen, habe ich mich zum "Certified Professional for Requirements Engineering" (CPRE) weitergebildet. Interessierten kann ich die Seite https://www.ireb.org/de/ empfehlen; dort findet man eine sehr gute Übersicht über die verschiedenen Schulungsanbieter, bei denen man die CPRE-Zertifikate machen kann. Wenn man in seinem späteren Berufsleben einmal den Arbeitgeber wechseln möchte, ist es für die Bewerbung ein Pluspunkt, wenn man dieses Zertifikat vorweisen kann.

 

AUBI-plus: Was sind die Besonderheiten an dem Job als Requirements Engineer, sowohl im positiven, als auch im negativen Sinne?

Was mir besonders gefällt, ist die Vielseitigkeit: Jedes Unternehmen und jede Software ist anders. Ich muss mich immer wieder aufs Neue einarbeiten und die Prozesse durchdringen. Die Anforderungen werden von überall her an mich heran getragen und ich habe mit den unterschiedlichsten Personen zu tun. Ich sitze also nicht im stillen Kämmerlein, sondern stehe im ständigen Austausch mit Nutzern, Sponsoren und anderen Stakeholdern.

Eine weitere Besonderheit ist, dass ich als Requirements Engineer sehr viel Verantwortung trage. Enthält die Spezifikationsdokumentation Fehler und müssen diese später behoben werden, wenn die Software schon entwickelt ist, kann das sehr teuer werden. Dieser Verantwortung muss ich mir immer bewusst sein und sorgfältig und genau arbeiten. Dafür ist das Gehalt in meinem Beruf auch sehr gut.

Um die Anforderungen vernünftig erarbeiten zu können, müssen alle Beteiligten natürlich gut mitmachen. Wenn einzelne Personen nicht zu erreichen sind oder sich einfach nicht festlegen wollen, macht das die Sache schwierig und man kommt nicht richtig voran. Eine grundsätzliche Herausforderung in jedem Projekt ist es, die vielen verschiedenen Wünsche und Anforderungen unter einen Hut zu bringen. Und wenn Termine im Projektplan eingehalten werden müssen, kann es auch mal stressig werden. 

 

AUBI-plus: Welche Eigenschaften braucht ein Requirements Engineer?

Der Umgang mit den verschiedenen Personengruppen erfordert eine sehr gute Kommunikationsfähigkeit. Auch muss ich mit Konflikten umgehen können, zwischen den Parteien vermitteln und Kompromisse herbeiführen. Wenn einzelne Anwender nicht richtig mitmachen wollen, versuche ich, sie zu motivieren. Überzeugungsfähigkeit, Empathie und Geduld sind daher weitere Eigenschaften, die man als Requirements Engineer braucht.

Da man bei der Arbeit viel lesen und schreiben muss, sollte man darüber hinaus sehr sprachgewandt sein und sich gut ausdrücken können. In der Dokumentation müssen komplexe Zusammenhänge so dargestellt werden, dass ein Dritter sie verstehen kann. Schließlich geht die Spezifikation später an fachfremde Software-Entwickler.

 

AUBI-plus: Welchen Rat hast du für Schülerinnen und Schüler, die ein Informatik-Studium anstreben?

Im Grundstudium muss man erstmal an Mathe vorbei, denn durch die Prüfungen wird schon ziemlich ausgesiebt. Ohne ein gutes Durchhaltevermögen und viel Fleiß ist das kaum zu schaffen. Elektrotechnik, grafische Datenverarbeitung, theoretische Informatik, Automatentheorie, künstliche Intelligenz und neuronale Netze waren weitere Fächer, für die ich ebenfalls viel lernen musste.

Für meine spätere Laufbahn war Mathematik an sich übrigens nicht so wichtig, aber in anderen Jobs mag das anders aussehen. Auf jeden Fall ist Mathe das ideale Training, um sein logisch-analytisches Denkvermögen zu trainieren. Diese Fähigkeiten sind für alle Informatik-Berufe sehr wichtig, also auch für das Programmieren und Implementieren von Algorithmen und nicht nur für die Spezifikationstätigkeit so wie bei mir.


AUBI-plus: Vielen Dank für das Gespräch!

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